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Top 10 Fragen zum Musikerberuf – plus eine Bonusfrage

Von Götz Schleifer

Dem Beruf des Musikers haftet etwas Exotisches an. Immer wieder tauchen auf Seiten des Publikums Fragen auf, die deutlich zeigen, dass es einen Klärungsbedarf gibt. Ich werde solche typischen Fragen aufgreifen und versuchen, diese zu beantworten. Hier sind also die Top 10 Fragen zum Musikerberuf – plus eine Bonusfrage:

Was machen Musiker eigentlich tagsüber?

Beruflich gesprochen lautet die Antwort: Üben und proben. Ein Berufsmusiker muss sich ähnlich wie ein Profisportler „fit halten“. Üben bedeutet, sein instrumentales Können ständig aufrecht zu halten und weiterzuentwickeln. Richtig ist natürlich, dass Konzerte und Aufführungen, also der für die Öffentlichkeit sichtbare Teil unserer Arbeit als Musiker, in der Regel abends stattfinden und daher die Proben für ebendiese tagsüber angesetzt werden. Es gibt allerdings durchaus auch Matineekonzerte und Theatervorstellungen, die am Vormittag oder Nachmittag stattfinden und Proben (besonders mit Sängern), die am Abend abgehalten werden.

Werden Proben bezahlt (da übt man ja eigentlich nur)?

Ja, die Proben werden bezahlt. Ein Berufsmusiker in fester Anstellung beim Mozarteumorchester erhält sein Gehalt für eine bestimmte Anzahl von „Diensten“, die er pro Monat leistet. Als ein Dienst gilt: Ein Konzert, eine Theatervorstellung, eine Aufnahmesitzung für eine CD Produktion und eben auch eine Probe. Von einem Berufsmusiker wird erwartet, dass er den Notentext eines Musikstücks technisch beherrscht, sprich zu Hause geübt und vorbereitet hat, bevor er zur Probe kommt. Es wird also nicht in den Proben geübt.

Was passiert dann in den Proben? In Spielfilmen kommen gelegentlich Szenen mit Orchesterproben vor. Das sieht dann fast immer so aus: Ein Dirigent steht vor einem Orchester, wedelt wild mit den Armen herum und schreit laut: „Mehr Gefühl“. Das ist absoluter Unfug! Auch wenn mancher Hollywood Regisseur sich das in seiner Phantasie so vorstellen mag, so ist die Orchesterprobe weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für große Gefühlsausbrüche. Es geht in erster Linie darum, das musikalische Material zu organisieren. Es wird an technischen Aspekten wie beispielsweise Zusammenspiel, Intonation und Klangbalance gearbeitet. Der Komponist definiert durch die Niederschrift der Noten deren Tonhöhe und den Rhythmus, in dem sie auszuführen sind. Durch Anweisungen im Notentext gibt er den ausführenden Musikern eine Vorstellung seiner musikalischen Intentionen bezüglich Tempo, Lautstärke, Artikulation und Ausdruck. So genau diese Anweisungen auch sein mögen, bleibt dennoch ein beträchtlicher Spielraum, wie diese verstanden und umgesetzt werden können. Der Dirigent (der Einfachheit halber nehme ich hier und im weiteren Text die männliche Form, Dirigentinnen sind aber genauso gemeint) wird in den Proben versuchen, den Musikern seine Interpretation des Stückes durch sein Dirigat und seine Erläuterungen zu vermitteln. Bildlich gesprochen könnte man sagen, dass in den Proben „angerichtet“ wird: Die Speisen werden zubereitet, der Tisch gedeckt. Das Konzert ist dann das große Festmahl!

Braucht man den Dirigenten überhaupt?

Das kommt drauf an. Den Dirigenten, wie wir ihn heute aus dem Konzert kennen, gibt es in dieser Funktion erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde ein Orchester üblicherweise vom Cembalo aus, oft vom Komponisten selbst, oder vom Konzertmeister geleitet. Musik aus dieser Zeitperiode kann also auch ohne einen Dirigenten, der vor dem Orchester steht, zur Aufführung gebracht werden und es gibt heute wieder Ensembles, die sich darauf spezialisiert haben, dieses Repertoire ohne Dirigenten zu spielen. Mit der Vergrößerung der Besetzungsstärke des Orchesters bis hin zum großen Sinfonieorchester, wie wir es seit der Romantik kennen, wurde der Dirigent, als Koordinator des musikalischen Geschehens, allerdings unabdingbar. Eine Sinfonie von Gustav Mahler, bei der etwa 100 Musiker auf der Bühne sitzen, wird kein Orchester ohne Dirigenten im Konzert spielen!

Was macht der Dirigent genau?

Dirigieren ist zunächst einmal „Handwerk“. Ein Dirigent muss eine Partitur lesen und verstehen können und ein gutes Gehör haben. Er sollte über eine Schlagtechnik verfügen, die es ihm erlaubt, einen Auftakt zu geben, der ein klares Tempo vermittelt, einen Tempoübergang so zu zeigen, dass die Musiker ihm folgen können und er muss weiter in der Lage sein, mit der rechten Hand (mit dem Taktstock) ein konstantes Tempo zu schlagen, während die linke Hand Einsätze gibt, die Dynamik anzeigt und die Musik gestaltet. Bis zu diesem Punkt reden wir von den technischen Grundvoraussetzungen des Dirigentenberufs. Es gibt aber auch Dirigenten, die zudem eine äußerst charismatische Ausstrahlung besitzen und eine sehr klare musikalische Vorstellung von den Werken, die sie interpretieren, haben. Allein durch ihre physische Präsenz ist es möglich, dass ein und dasselbe Orchester plötzlich ganz anders klingt – selbst wir Musiker kommen da manchmal ins Staunen. Ein solcher Dirigent vermag die Energien der Musiker zu bündeln, sie zu inspirieren und eine besondere Atmosphäre zu schaffen, die in dem Moment des Konzerts ein Musikstück „neu“ entstehen lässt. Das sind dann die wirklich besonderen Momente in unserem Beruf!

Woran erkennt man als Zuhörer einen guten Dirigenten?

Diese Ausstrahlung des Dirigenten, die ich gerade beschrieben habe, ist in der Regel auch im Publikum spürbar. Jahre-lange Orchestererfahrung hat aber auch gezeigt, dass es da einen recht einfachen „Test“ gibt, mit dessen Hilfe man einen guten Dirigenten erkennen kann. Wenn ein Dirigent am Ende des Konzerts, nachdem er vom Podium abgegangen ist, beim Applaus des Publikums von der Seitenbühne hereinstürmt und sofort auf sein Dirigierpodest steigt, um den Applaus entgegenzunehmen, dann gehört er in die Kategorie von Dirigenten, die das Dirigieren in erster Linie als Mittel zur Selbstdarstellung benutzen – das hat mit Musik wenig zu tun. Ein guter Dirigent versteht ein Konzert als ein gemeinsames Bemühen des Dirigenten zusammen mit dem Orchester, der Musik gerecht zu werden und mit vereinten Kräften, ein möglichst gutes Resultat bei der Aufführung zu erzielen. Er wird also, wenn er das Podium betritt, zuerst das Orchester aufstehen lassen und sich dann in oder neben das Orchester stellen, um den Applaus mit den Musikern zu teilen. Alle großen Dirigenten, unter denen ich als Musiker spielen durfte, haben das ausnahmslos so gemacht!

Wie viele verschiedene Instrumente spielt jeder im Orchester?

Jeder Orchestermusiker wird zum Spielen eines Instruments verpflichtet. Bei Bläsern können weitere Nebeninstrumente dazukommen. Das wäre etwa für einen Flötisten die Piccolo-flöte, für eine Oboistin das Englischhorn, für einen Hornisten die Wagnertuba, für eine Klarinettistin das Bassetthorn. Schlagzeuger spielen im Orchester eine Vielzahl verschiedener Schlaginstrumente.

Wieso entsteht beim Umblättern der Noten kein akustisches Loch?

Der Herausgeber des Notenmaterials wird sich bemühen, dieses so zu drucken, dass vor dem Umblättern eine Pause in den Noten steht. Nicht immer ist dies möglich. Da jeder Instrumentalist, außer bei den Streichern, eine eigene Stimme spielt und eigene Noten hat, muss auch jeder Musiker an einer anderen Stelle umblättern. Bei den Streichern spielt immer eine ganze Instrumentengruppe eine Instrumentalstimme. Dabei sitzen immer zwei Musiker gemeinsam an einem Notenpult und spielen aus einer Notenstimme. Dadurch ist es möglich, dass einer spielt, während der andere schnell die Seite wendet. Manchmal ist es dennoch notwendig, eine Notenseite zu kopieren und in die Stimme einzulegen oder einzukleben, um ein Umblättern zu vermeiden. Gelegentlich entstehen hierbei sehr kunstvolle, an japanische Origami erinnernde Notengebilde, die dem Musiker eine geradezu virtuose „Blättertechnik“ abverlangen.

Wird man nicht taub von dem ganzen Lärm im Orchester?

Das ist in der Tat ein sehr ernstes Thema. Im Orchester werden an den lautesten Stellen Lautstärkepegel erreicht, die sonst etwa von startenden Düsenjets oder Presslufthämmern auf der Baustelle erzeugt werden. Musiker, die direkt vor sehr lauten Instrumentengruppen wie den Blechbläsern oder dem Schlagwerk sitzen, sowie Musiker, die diese Instrumente spielen, versuchen ihr Gehör mit Hilfe technischer Hilfsmittel zu schützen. Das kann durch das Aufstellen einer Schallschutzwand im Orchester geschehen oder durch das Tragen eines speziellen Musikergehörschutzes.

Gibt es feste Arbeitszeiten?

Die Arbeitszeiten der Musiker variieren sehr stark. Mit einer normal üblichen Arbeitswoche haben diese wenig zu tun. So wird durchaus auch an Wochenenden und Feiertagen gearbeitet. Es kommen auch sehr späte Dienstzeiten vor, etwa bei Opernaufführungen und bei Konzerten auf Tourneen. Jede Woche der Konzertsaison wird von der Disposition im Orchesterbüro gemäß dem anstehenden Dienst geplant und die einzelnen Instrumentengruppen werden dementsprechend eingeteilt. Das ist für die Musiker sehr abwechslungsreich, da keine Woche der nachfolgenden gleicht – in einen monotonen Arbeitstrott verfällt man dabei sicher nicht. Ein Familienleben mit Kindern mit diesem unregelmäßigen Arbeitsrhythmus in Einklang zu bringen kann allerdings auch eine Herausforderung sein.

Wann man ein Musikstück, das einem nicht gefällt, gut spielen?

Jeder Musiker hat natürlich seinen eigenen Musikgeschmack und besondere Vorlieben für einzelne Komponisten und bestimmte Musikwerke. Als Profi muss man aber in der Lage sein, jedes Musikstück unabhängig davon, wie es einem selbst gefällt, gleich gut zu spielen. Dies gilt auch für Interpretationen von Dirigenten, die dem eigenen musikalischen und stilistischen Empfinden widersprechen.

Werden Fehler gemacht?

Ja, Fehler kommen vor – auch im Konzert. Dirigenten verschlagen sich und geben falsche oder gar keine Einsätze. Solisten, besonders wenn sie auswendig spielen, überspringen ganze Passagen. Einzelne Instrumente oder Instrumentengruppen im Orchester setzen falsch ein. Solche und andere Fehler hat absolut jeder Musiker in seinem Berufsleben schon erlebt.

Was macht man in einer solchen Situation?

Schnell reagieren! Am besten so schnell, dass das Publikum nichts davon mitbekommt. Ein Konzert unterscheidet sich in dieser Hinsicht von einer CD Aufnahme. Bei der Aufnahme steht über allem der Anspruch, dass alles perfekt sein muss. Fehler, wenn sie passieren, werden durch einen neuen Aufnahmetake ausgemerzt. Beim Konzert gibt es diese Möglichkeit, etwas zu wiederholen, nicht. Das macht gerade den besonderen Reiz eines Konzerts aus. Was hier zählt, ist das spontane Musizieren, der magische Moment, die Kommunikation der Ausführenden mit dem Publikum und daraus resultierend, das gemeinsame Musikerlebnis.

Ich hoffe, dieser Blick „hinter die Kulissen“ des Musikererufs konnte einige Fragen beantworten, aber auch einige praktische Aspekte des Musikerdaseins aufzeigen ebenso wie die Faszination, die von diesem wunderbaren Beruf ausgeht.

1. Februar 2016