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Sehnsucht nach der Quelle

Peter Branner im Gespräch mit Ayako Kuroki

Genau vor zwei Jahren brachten wir ein Interview mit dem liebenswürdigen „Yoshi“, Yoshinori Honda-Tominaga, seines Zeichens Fagottist des Mozarteumorchesters sowie Gründungsmitglied unseres Vereins, der damals gerade in Pension ging. Ein Japaner ist gegangen, eine Japanerin ist gekommen. Zufall? Jedenfalls dürfen wir Ihnen heute die Musikerin vorstellen, die jetzt auf seinem Platz im Mozarteumorchester Salzburg sitzt und damit seine Nachfolgerin geworden ist.

Sie sind die Nachfolgerin von Yoshi. Haben Sie ihn einmal kennengelernt?

2009 habe ich ihn in Tokio kennengelernt. Damals war das Mozarteumorchester auf Tournee in Japan. Ein Konzert wurde für mich zu einem einschneidenden Erlebnis. Als Zugabe wurde die Figaro-Ouvertüre gespielt und dabei sind mir die Tränen gekommen. Von 2005 bis 2015 spielte ich im Tokyo Philharmonic Orchestra. Daher kannte ich diese Musik, aber als ich sie vom Mozarteumorchester erstmals hörte, wurde mir bewusst, was ich bis dahin nur in meinem Inneren gefühlt hatte, nämlich dass es noch eine andere Art des Musizierens gibt, nicht allein vom Kopf her, sondern auch vom Gemüt.
Die Arbeits-, aber auch die Lebensbedingungen in Japan habe ich als ganz besonders einschränkend erlebt. Wir waren immer sehr fleißig – das entspricht der japanischen Mentalität – und der Ablauf sieht 6 Stunden Probe für eine Oper vor, 10 Minuten Pause, 30 Minuten für das Essen und dies ganztags im Studio und ohne Tageslicht. Zwischendurch dann noch andere Konzerte oder Aufnahmen für das Fernsehen. Dazu lange Wegstrecken von und zur Wohnung. Da bleibt Verschiedenes auf der Strecke, ich denke, vor allem das Künstlerische. Sie werden verstehen, dass nach besagtem Konzert bei mir eine Sehnsucht nach etwas anderem entstanden ist.

Haben Sie dieser Sehnsucht nachgegeben?

2009 war der Auslöser. Ich hatte davor schon ein Jahr in Europa, und zwar in München gelebt. Beim ARD-Wettbewerb lernte ich Philipp Tutzer kennen. Er gewann den 2. Preis. Das war mein erster Kontakt mit einem Mitglied des Mozarteumorchesters, wo ich dann 2015 mein Probespiel gewonnen habe.

Sind Sie in Tokio aufgewachsen?

Nein, ich komme aus Miyazaki, das liegt im Süden Japans auf der Insel Kyūshū. Es ist für meine Begriffe eine mittlere, landschaftlich sehr reizvolle Stadt mit 1 Mio. Einwohnern und kein Vergleich mit der Riesenstadt Tokio.

Wie sind Sie denn ausgerechnet auf das Fagott gekommen?

Angefangen habe ich mit Klavier, da war ich ungefähr vier Jahre alt, mit acht kam dann das Schlagzeug für drei Jahre, bis mein Interesse für Blasinstrumente erwachte. Bei Flöte und Oboe waren die Klassen voll, deshalb begann ich mit dem Horn. Nach einem Jahr musste ich einsehen, dass es für meine Lippen zu schwierig war. Dann erhielt ich einen Platz in einer Klasse für Fagott. Das Instrument hat mir gut gefallen, sodass ich mich mit 14 Jahren fix entschloss, dabei zu bleiben. Mit 16 Jahren spielte ich in Miyazaki in einem Amateur-Orchester und danach mit 18 Jahren in Tokio im Universitäts-Orchester und konnte dabei schon früh Orchestererfahrung sammeln. Abgeschlossen habe ich dann in Tokio mit 24 Jahren und begann unmittelbar danach im Tokyo Philharmonic.

Wie erleben Sie den Unterschied zwischen japanischen und europäischen Frauen?

Im Gegensatz zu europäischen Frauen pflegen die Japane-innen ihre Meinung mehr für sich zu behalten und nicht direkt auszusprechen. Das liegt mir nicht und dehalb fühle ich mich diesbezüglich hier wohler. Japanische Frauen sind stets ihren Männern nachgeordnet. Hier herrscht doch viel mehr Gleichberechtigung.

Darf ich davon ausgehen, dass Sie mit Ihrer fixen Anstellung im Mozarteumorchester in jeder Hinsicht einen großen Wunschtraum in Ihrem Leben verwirklicht haben?

Ja, besonders in künstlerischer Hinsicht. Ich liebe vor allem Mozart und Haydn, aber auch Bruckner. Als ich das erste Mal mit diesem Orchester eine Bruckner Symphonie gespielt habe – es war die Siebente unter Leopold Hager – war ich im langsamen Satz zutiefst berührt. Es war ein sehr starkes Erlebnis, zusammen mit den Kollegen, die wissen, wie man das spielt, an einer solchen Aufführung beteiligt zu sein. Ich freue mich auch auf die neue Erfahrung mit dem Kontrafagott. Seit 2 Jahren spiele ich das Instrument. In Japan habe ich immer nur 1. Fagott gespielt. Und ich freue mich sehr, in Salzburg zu sein. Die schöne Natur inspiriert mich stark für die Musik und obendrein ist diese Stadt eine der wichtigsten Musik-Städte der Welt. Ich kann hier tolle Konzerte hören und es ist die ganze Atmo-sphäre in Salzburg, die ernsthaft und begeisternd und zugleich locker ist. Dazu die vielen netten Kolleginnen und Kollegen.

Im Moment bin ich glücklich.

Stand:

2007