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Einzigartige Endzeit-Musiken

Vor genau 80 Jahren schuf Richard Strauss seine erste Bläsersonatine. Gerade noch rechtzeitig zum Jubiläum erschien am 3. November nun eine Aufnahme des Mozarteumorchesters unter seinem ehemaligen Chefdirigenten Riccardo Minasi, gepaart mit den Metamorphosen für Streicher. Hören Sie sich das an!

Von Horst Reischenböck

Es muss nicht immer Mozart sein. Nach und nach erscheinen (endlich) auch wieder mehr und neue CDs, die belegen, dass dem Mozarteumorchester – Kenner wissen das – auch achtbare Kompetenz abseits seines Namenspatrons eignet.
Die vorliegenden Einspielungen nutzten die auftrittslose Zeit während der Pandemie und fanden im Dorothea Porsche Saal des Odeïon am nördlichen Stadtrand von Salzburg statt. Dessen Podium bot ausreichend Platz für räumlichen Abstand untereinander. Trotzdem verlief es nicht ganz reibungslos: Wie dem Booklet zu entnehmen ist, zwang ein positiver Test die Bläser kurzfristig zum Unterbrechen der Sitzungen und in Quarantäne.

Zwei Jahre vor Ende des Zweiten Weltkriegs plagten Richard Strauss Depressionen noch nicht ganz so stark, auch wenn sein hauptsächlicher Schaffensdrang in Richtung Vertonung neuer Opernstoffe eingeschränkt war. Was Kollege Gioachino Rossini als „Alterssünden“ bezeichnete, wurde ihm zur Ablenkung. Zumal sich sein Geist, abgesehen vom Skatspiel, ja nach wie vor unentwegt mit Musik beschäftigte. Ein Ergebnis derartiger „Handgelenksübungen“ betitelte Strauss ironisch „Aus der Werkstatt eines Invaliden“: Eben besagte Sonatine Nr. 1 in F-Dur für 16 Bläser o.op. 135 / TrV 288, mit der er in gewisser Weise auch an seine Jugend anknüpfte. Hatte er doch gleich nach Schulabschluss einen Serenaden-Einsatz für 13 Bläser op. 7 komponiert.

Nun schwebte ihm als Idol Wolfgang Amadé Mozart und dessen Gran Partita, Serenade KV 361 / 370a, vor. Allerdings, zum Unterschied von dieser, mit Kontrafagott bestückt. Ein Instrument, über das der lokale Genius in Wien noch nicht verfügte und stattdessen als Fundament einen Kontrabass vorschrieb.
Strauss’ drei Sätze von zusammen 37 Minuten Dauer wurden aus Reihen des Mozarteumorchesters hörbar dazu genutzt, um einmal mehr ihre klanglich exzellenten Qualitäten vor Ohren zu führen.

Butterweich schleichen sie sich alle in den eröffnenden Sonatenhauptsatz ein, bevor das Allegro rhythmisch belebte Kontur und Fahrt aufnimmt. Um gleich wieder einer verträumten Oboenkantilene Platz einzuräumen, gefolgt von Hörnerglanz und Klarinetten. Nach dem Schluss, der irgendwie das Rosenkavalier-Ende beschwört, geht es sonnendurchtränkt in die zärtliche Romanze, in deren Mitte ein anachronistisches Menuett pulsiert. Das Finale mit seiner, dem Molto Allegro strahlend übergestülpten Choralmelodie, schwingt sich in heitere Gefilde hinein. Tänzerisch gelöst dann der Ausklang, so recht zum Genießen geeignet.

Vor allem aber auch dazu angetan, um die in den vom Schweizer Mäzen Paul Sacher bestellten Metamorphosen o.op.142 / TrV 290, der einzigartig und einzig gebliebenen Studie für 23 Solostreicher vorangestellt, düsteren Gedanken ins Positive umzuleiten. Strauss’ erschütternde Elegie, 1945, also zwei Jahre später auf die Zerstörung ihm lieb Gewesenes, für ihn als unwiederbringlich angesehen Verlorenes komponiert. Grandios kontrapunktisch dicht gebettet, um sich zuletzt als Memento der Vergänglichkeit im durchscheinenden Zitat aus dem Marcia funebre aus Ludwig van Beethovens Sinfonia Eroica op. 55 zu manifestieren.

Durch Riccardo Minasi motiviert, entschlüsseln die engagiert Beteiligten ausgezeichnet wirkungsvoll das sich darin ständig verändernd aufgebaute fein gesponnene Stimmengeflecht. Im Vergleich zu Mitbewerbern so richtig nicht nur auch als Paradebeispiel zum Kennenlernen geeignet, somit absolut empfehlenswert.

Nur schade, dass das Label auf die namentliche Nennung der 10 Violinen, jeweils 5 Bratschen und Celli sowie 3 Kontrabässe verzichtete. Andere schafften das!

Strauss Metamorphosen & Wind Sonatina No. 1
Riccardo Minasi / Mozarteumorchester Salzburg
BERLIN CLASSICS CD 03030208C

14. September 2023
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