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Dazugehören ist besser als Dabeizusein

Peter Branner im Gespräch mit Barnaba Poprawski

War es in der letzten Ausgabe Irina Rusu, die nach bestandenem Probejahr ordentliches Mitglied des MOS wurde, ist es dieses Mal Barnaba Poprawski, den wir Ihnen vorstellen dürfen. Vom Konzertpodium her an ein ernstes, konzentriertes Gesicht gewöhnt, erwartet mich zum Interview ein freundlich lächelnder, ja heiterer junger Mann. Es ist sein sehr seltener Vorname Barnaba, der zu Beginn unser Gespräch beherrscht. (In der Liste der 250 beliebtesten Vornamen ist er jedenfalls nicht zu finden.)

Nach Ihrem Zunamen darf man schließen, dass Sie aus Polen kommen. Woher?

Ja, ich bin Pole, komme aus Krakau und wurde dort 1984 geboren.

Stammen Sie aus einem musikalischen Haus?

Meine Eltern sind keine Musiker, obwohl sie an Musik sehr interessiert sind. Ich durfte meine Mutter schon als Acht-jähriger regelmäßig in die Philharmonie zu Konzerten begleiten. Das waren ganz normale Konzerte, keine Kinderkonzerte, wie es sie heute gibt.

Wie fanden Sie zu Ihrem Instrument, der Bratsche?

Wie fast jeder Bratscher habe ich mit der Geige angefangen. Das war in einem musischen Kindergarten und setzte sich in einer Musikschule fort, insgesamt waren es 8 Jahre. Dann wollte ich nicht mehr Geige spielen, aber ich wollte auch nicht aufhören. Ich war so 14/15 Jahre alt und in einer Phase der Auflehnung.

Wäre für Sie ein anderes Instrument in Frage gekommen?

Ja, ein Blasinstrument, z.B. Klarinette, aber dann hätte ich wieder ganz von vorne beginnen müssen. Obwohl ich keine Ahnung von Bratsche hatte, fragte ich mich, warum nicht dieses Instrument? Für mich war es einfach etwas Besonderes, denn in meiner Umgebung hat man nur drei Instrumente gespielt, Geige, Klavier und Cello. Interessanterweise war die Entscheidung für die Bratsche für mein weiteres Leben wichtig. Daran beteiligt war meine neue Lehrerin, die mich sehr gut zu motivieren verstand. So wurde es eine bewusste Entscheidung. Ich war im Gymnasium und in einer speziellen Musikschule, wo ich bis zu 15 Stunden pro Woche Musikunter-richt hatte. Neben dem Bratschenunterricht gab es Themen wie Klavier, Orchester, Kammermusik, Gehörbildung, Tonsatz etc. Es war eine sehr intensive und schöne Zeit.

Wann kam der Moment, wo Sie gewusst haben, ich will die Musik zu meinem Beruf machen?

Das war mit ca. 19 Jahren. Ich beteiligte mich an einem Wettbewerb und hatte mir vorgenommen, wenn ich dort etwas erreiche, es als Zeichen zu sehen, dass ich in dieser Richtung weiterarbeiten sollte.

Wäre für Sie auch ein anderer Beruf noch denkbar gewesen?

Durchaus, ich habe mich für Soziologie, aber auch für Schau-spiel interessiert.

Wieso gerade Schauspiel?

Mein Vater ist Schauspieler und Regisseur. Ich hatte schon als Jugendlicher bei manchen Theatervorstellungen schau-spielerisch mitgewirkt.

Ist Ihre Mutter beruflich tätig?

Sie ist polnische Sprachwissenschaftlerin.

Haben Sie auch daran gedacht zu unterrichten?

In meinem zweiten Studienjahr in Deutschland habe ich in einer Musikschule unterrichtet und dabei versucht, sehr viel zu geben. Danach war ich immer völlig erschöpft, hatte Kopfschmerzen und habe dann eingesehen, dass das nichts für mich ist.

Wo haben Sie Deutsch gelernt?

Das war bereits im Gymnasium, wo es einen Schwerpunkt für Deutsch gab.

Wie ging es nach dem Abitur bei Ihnen weiter?

Von Anfang an habe ich geplant, im Ausland zu studieren. Deutschland war für mich – schon wegen der Sprache – die erste Wahl und so bin ich nach Stuttgart gegangen, wo ich drei Jahre blieb. Es war mir vom Anfang an klar, dass ich mein Studium im Ausland selbst finanzieren muss und das hat mich sehr stark motiviert. In dieser Zeit arbeitete ich in einer Bibliothek, hatte verschiedene Stipendien bekommen, spielte nebenbei sog. Muggen (Anm.: Im Jargon deutsch-sprachiger Musiker versteht man darunter das Engagement für einzelne Auftritte.) und bin somit schon mit neunzehn Jahren selbständig geworden. Ohne Unterstützung von manchen Institutionen und hilfreichen Menschen wäre das Ganze unmöglich gewesen. Sechs Jahre später habe ich das Studium in Stuttgart mit einem Diplom beendet. Dazwischen war ich im Rahmen des Erasmus-Programms als Austauschstudent in Wien, zuerst für ein Semester, dann für ein ganzes Jahr und schließlich habe ich die Aufnahmsprüfung an der Musikuniversität gemacht.

Wer war in Wien Ihr Lehrer?

Hans Peter Ochsenhofer, ein Wiener Philharmoniker. Ich hatte insofern Glück, denn eigentlich nahm er keine Erasmus-Studenten. Insgesamt studierte ich sechs Jahre bei ihm und habe 2012 abgeschlossen.

Waren Sie in der Zwischenzeit schon Substitut in einem der Wiener Orchester?

Ab 2007 durfte ich in der Wiener Staatsoper bei tollen Produktionen spielen. Mit Tschaikowskis Pique Dame unter Seiji Ozawa habe ich diese Abenteuer angefangen.

Dort haben Sie wahrscheinlich schon große Dirigenten kennenlernen können?

Ja natürlich, auch dadurch, weil ich die Möglichkeit bekommen habe, bei Philharmonischen Konzerten mitzuspielen.

Wer ist Ihnen da in besonderer Erinnerung?

Auf jeden Fall die beiden Letten Mariss Jansons und Andris Nelsons. Dann Riccardo Muti, Valery Gergiev, Semjon Bytschkow, Simon Rattle und Lorin Maazel. Unter ihm habe ich wahrscheinlich am meisten gespielt, auch einige große Reisen mitmachen dürfen sowie das Konzert in Schönbrunn. Leider konnte ich Bernard Haitink oder Claudio Abbado nicht erleben.

Hilft einem die Begegnung mit solchen Persönlichkeiten?

Es war immer sehr spannend, unter großen Dirigenten zu spielen. Jeder hatte seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Zu beobachten, welche Schwerpunkte sie setzen und wie sie mit dem Orchester arbeiten, fand ich immer interessant. Ich glaube, dass ich mich in dieser Zeit musikalisch gut weiterentwickeln konnte, vor allem im Orchesterspiel. Ich war mir gleichzeitig stets bewusst, dass das ausschließliche Spielen im Kollektiv Gefahren birgt für die Spielhygiene. Man muss aufpassen, dass man nicht ungenau und unkultiviert wird, weil man sich nicht so genau hört, wie wenn man alleine spielt.

Hatten Sie damals auch schon eine fixe Stelle?

Nein, ich hatte zwar Zeitverträge in der Staatsoper, aber die Stelle im MOS ist jetzt meine erste fixe Stelle.

Wie war das Probespiel?

Es war sehr spannend und ziemlich lang, denn es gab 24 Mitbewerber und vier Runden.

Haben Sie Familie?

Zehn Tage nach meinem Diplom habe ich 2012 geheiratet. Meine Frau hat Kulturwissenschaft studiert. Sie stammt auch aus Krakau, wir kannten uns seit der Schulzeit, aber in Wien haben wir uns besser kennengelernt, wo sie auch studierte. Inzwischen haben wir ein Kind. Unser Sohn war gerade fünf Wochen alt, als ich das Probespiel absolvierte. Es war eine zusätzliche Motivation, um alles zu geben.

Welche musikalischen Vorlieben haben Sie?

Das ändert sich immer wieder bei mir, aber im Moment sind es die Schubert-Symphonien.

Was ist es, das Sie bei Schubert so berührt?

Es ist eine einfache Schönheit. Dadurch ist alles so durchsichtig und in die Tiefe gehend. Für mich stehen die Symphonien etwas zu wenig auf dem Programm des MOS.

Wie geht es Ihnen mit der Gattung Oper?

In Wien habe ich sie sehr gut kennengelernt. Besonders die Werke von Richard Strauss gefallen mir, wenngleich man sie öfter spielen und hören muss. Ich brauche dazu mehr Zeit als bei anderen Stücken. Im Gegensatz zu manchen klassischen Opern ist man als Bratschist hier sehr gefordert.

Normalerweise werden Stücke in der Oper mehr oder weniger intensiv geprobt. Wie geht es einem, wenn man dann plötzlich einspringen muss bei Stücken, die man so gut wie gar nicht kennt und auch keine Proben mitgemacht hat?

Das ist manchmal sehr schwer, aber es wird in der Regel Rücksicht darauf genommen, über welches Repertoire man verfügt. Trotzdem musste ich manchmal auch Wagner- oder Strauss-Opern „prima vista“ spielen. Als Tutti-Spieler in einer Gruppe hervorragender Kollegen geht es leichter als bei einem Bläsersolisten. Ich bin froh über meine Erfahrungen als Einspringer, denn da habe ich das Zuhören wirklich gelernt. Ein Auge hat man beim Dirigenten, eines beim Solobratschisten. In dieser Zeit lernte ich sehr gut und intensiv, vom Blatt zu spielen.

Spielen Sie auch in anderen Formationen mit?

Ich habe in letzter Zeit vermehrt als Solo-Bratscher gespielt, z.B. bei einer Turandot-Vorstellung in Innsbruck oder auch in Valencia, wo ich dieses Jahr zwei Projekte haben werde. Eine neue Aufgabe und auch eine Herausforderung! Man lernt dabei das Führen. Ich bereite mich sehr intensiv darauf vor, weil es Profi-Orchester sind, mit denen ich spielen werde. Seit 4 Jahren spiele ich im Ensemble unseres Soloklarinettisten Christoph Zimper, das Wiener Klangkommune heißt. Das ist deshalb so schön, weil wir alle sehr gut zusammenpassen. In dieser Formation haben wir ein Festival am Weißensee in Kärnten. Ich bin auch Mitglied vom Ensemble XX. Jahrhundert, das die zeitgenössische Musik interpretiert.

Gibt es sportliche Hobbies?

Ich habe einen Segelschein und verbringe jedes Jahr ein paar Tage auf dem Wasser. Früher bin ich Snowboard gefahren. Wegen der Gefährlichkeit für die Hände habe ich aber damit aufgehört. Vielleicht fange ich an mit Skitouren.

Was erwarten Sie sich vom künftigen Chefdirigenten?

Dass er konzentriert mit dem Orchester arbeitet und es richtig herausfordert, was die meisten Dirigenten sich nicht getrauen. Ich finde das sehr schade, denn man könnte mehr von uns verlangen und dann kommt das auch. Der neue Chef soll sich auch richtig für das Orchester engagieren, ein Entwicklungskonzept haben und nicht nur extra für ein paar Konzerte im Jahr kommen.

Sie haben in Wien gearbeitet, arbeiten jetzt in Salzburg im Orchester. Gibt es da für Sie einen Unterschied?

Den gibt es tatsächlich. Ich bin froh, dass ich in Salzburg sein kann. Man kann hier wunderbar leben. Ich fühle mich nicht nur in der Gemeinschaft der Bratschengruppe wohl, sondern überhaupt im Orchester wie in einer zweiten Familie. Es gibt einen starken Zusammenhalt. Nach meinem Gefühl besteht ein ganz wesentlicher Unterschied, ob man fix zu einer Gemeinschaft gehört oder ob man nur als Aushilfe dabei ist.

Stand:

2016