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Konzertmeister

Es gschiacht eich grad recht, wann i nix kann, wanns mi nix lerna laßts – diesen denkwürdigen Satz soll der neue Konzertmeister des Mozarteumorchesters, mein lang­jähriger Freund und zeitweiliger Chef Frank Stadler, in zartem Alter zu seinen Eltern gesagt haben. Nun, sie haben sich’s zu Herzen genommen und den kleinen Frank die Musik lernen lassen, so gut und so sehr nach seinem Willen, Talent und Gusto, dass er heute als Konzertmeister und überhaupt als Geiger zur ersten Garnitur gehört – nicht nur in Salzburg, Traunstein und Umgebung, wie ich denke.

Das Licht der Welt hat er in Obertaufkirchen 1969 erblickt, das ist dort, wo Ober- und Niederbayern ineinander übergehen, aber schon wenige Wochen später ist die Familie nach Traunstein übersiedelt. Der Vater, Lehrer, ebenfalls Geiger und Leiter des Männerchors von Ruhpolding, und die ebenfalls musische Mutter haben die Begabung des kleinen Frank offenbar spätestens nach der anfangs zitierten Stellungnahme erkannt und ihn ins nahe Siegsdorf zum Geigenlehrer Ernst Hass (übrigens dem Vater der Opernsängerin Sabine Hass) geschickt. Schon im Gymnasium der bayerischen Kreisstadt ist Frank Stadler Konzertmeister gewesen, schon damals hat ihn Musik in vielen Ausdrucksformen gepackt, nicht nur in der klassischen und, naheliegend, volkstümlichen (solang’s nicht volksdümmlich wird), sondern auch in der rockigen und popigen. So kommt’s, dass derselbe Mann, der heute auch noch die kompliziertesten zeitgenössischen Stücke interpretiert, auch Rockgitarre spielt und in der Band, die er mit 16 Jahren gegründet hat, sogar seine Stimme erschallen lassen konnte. Die Rolling Stones haben’s ihm seit damals angetan und auch heutzutage noch spielt er manclunal zum Spaß und hat sich sogar wieder eine Gitarre gekauft. Eine Zeit lang ist das alles so nebenher gelaufen. Mit Leuchten in den Augen erzählt er mir, wie er in Traunstein einmal bis 10 Uhr abends ein klassisches Programm gespielt hat und dann so schnell wie möglich zu einer Ballveranstaltung gelaufen ist, wo’s mit U2 und Police weitergegangen ist.

Aber natürlich ist die Klassik immer mehr in den Vordergrund gerückt. Das nahe Salzburg wurde Studienort und zweite Heimat, Helmut Zehetmair und nach dem mit Auszeichnung bestandenem Diplom für weitere drei Jahre Ruggiero Ricci waren die wesentlichen Lehrer. Kurse bei Thomas Brandis, Ljerko Spiller und Franco Gulli sowie bei Denes Kovacs in Budapest erweiterten den Horizont noch zusätzlich. Bei Zehetmair ist er drei Jahre lang auch Assistent gewesen, seit dem 20. Lebensjahr unterrichtet er selber in Traunstein, eine große Freude, die er nicht missen will.

hat zeitig eingesetzt und ist so vielfältig, dass ich gar nicht weiß, wo anfangen. Am besten Zuhause – mit dem Musikkollegium Traunstein hat Frank Stadler schon früh alle Mozart-Konzerte, das Beethoven­-Konzert, das Triplekonzert und die Carmen-Phantasie von Sarasate gespielt; mit Wilfried Tachezis Orchester Pro Musica, in dem er Konzertmeister war, 10 Jahre lang, hat er das Brahms- und das Mendelssohn e-Moll Konzert auch schon auswärts vorgestellt; mit dem Hochschulorchester unter Gielen stand das Rondo Capriccioso von Saint-Saens am Programm. Mit den Salzburger Musici, deren Dirigent damals Oswald Sallaberger geheißen hat, ist er schon auf Amerika-Tournee gewesen, in jungen Jahren, ein erfolgreiches Unternehmen, das bis in die legendäre Carnegie Hall geführt hat.

Die Solokonzerte von Bach, Sibelius und Berg hat er lange schon drauf, und hoffentlich hören wir sie bald wieder von ihm!
Wie so viele Geiger hat er auch mitunter zur Bratsche gegriffen, unter anderem sogar für die Solostimme in der Sinfonia Concertante von Mozart. Ich erinnere mich, Frank bei einem Festungskonzert sogar zunächst als Bratscher kennen gelernt zu haben. Auf der Festung hat er übrigens ganze 25 mal das d-Moll-Konzert von Mendelssohn gespielt, dazu das Schubert-Rondo und vieles mehr, natürlich auch die Kammermusik der Klassik und Romantik.
Jetzt wird’s aber Zeit, dass die Neue Musik vorkommt, die uns schließlich auch beruflich zusammen geführt hat. Zuerst ist er skeptisch gewesen, aber Herbert Grassl mit seinem Österreichischen Ensemble für Neue Musik (oenm) hat ihm die Augen und Ohren geöffnet, so sehr, dass Frank Stadler heute auch zu den bedeutenden Interpreten zeitgenössischer Musik gehört und 1997 die Nachfolge Grassls als Leiter des Ensembles angetreten hat. Mit welcher Prägnanz und Sinnlichkeit Frank Stadler so unterschiedliche Musik wie die von Maderna und Pfitzner, von Donatoni und Grassl, von Schostakowitsch und Crumb, von Müllenbach und Ofenbauer vermitteln kann, das straft alle Leute Lügen, die Musik unserer Zeit für eine langweilige Sache halten. Und er stellt sich, wenn’s sein muß, am nächsten Tag hin und spielt hinreißend musikantisch die Haffner-Serenade wie bei den Festspielen 1999.

Nicht vergessen darf ich, dass er der Primarius des stadler quartetts ist, ein brillantes Ensemble mit den Spezialgebieten Mikrotonalität und aktuellste Musik, das jedoch auch bei Schubert oder Debussy seine vier Männer stellt. Letzteres ist ein Zufall, denn dem weiblichen Geschlecht ist Freund Frank, soviel darf ich wohl schreiben, auch in musikalischer Weise ganz und gar nicht abgeneigt.

Die leidige Frage nach· den Lieblingskomponisten ist für einen so universellen Musiker besonders schwer zu beantworten, aber zu Musik von Brahms, Debussy und Mozart hat er schon eine ganz besondere und innerliche Liebe.

Gar viel gäbe es noch zu erzählen, ein paar persönliche Sätze seien mir gestattet. Was ich an meinem Freund Frank auch sehr schätze, ist die Tatsache, dass sich dieser hochkultivierte und weltoffene Musiker in seiner schönen, klangvollen bayerisch-österreichischen Sprache ausdrückt, die ganz natürlich liebenswert ist. Ich hab‘ versucht, ein wenig davon in diesem Porträt anklingen zu lassen. Freund Frank ist ein verbissener und harter Arbeiter, wenn’s drauf ankommt. Oft bin ich voll der Bewunderung über seine fast asketischen Arbeitstage. Wenn aber einmal Zeit zur Entspannung ist, wie aus Anlass dieses Artikels, dann ist er gar kein Kostverächter, dann schätzt er ein gutes Brat’l mit einem Glas Bier, dann schmaucht er zu einem guten Roten auch einmal ein Zigaretterl. Aber auch italienische und fernöstliche Genüsse kulinarischer Natur verachtet er keineswegs. Jedes Ding zu seiner Zeit! – Zeit hat er natürlich wie fast jeder Künstler dieses Rangs viel zu wenig, private Reisen gibt es (leider ) kaum, Sport wie Fußball oder Tischtennis findet immerhin Proben­pausenräume. Das Motorrad.fahren kommt auch zu kurz, vorbei sind die wilden Jahre, wo er mit der Geige am Rücken von Traunstein nach Salzburg gebraust ist.

Was mich am allermeisten an Frank Stadler fasziniert, ist seine Offenheit, sein Interesse, seine Neugier allen musikalischen Strömungen von Qualität nicht nur unserer Zeit gegenüber. Was er sich von der Zukunft wünscht, ist, dass mit dem Orchester, in dem er sehr gerne ist, alles positiv weiter geht, in diesen zunehmend geldknappen und kultur-gleichgültigen, wenn nicht kulturfeindlichen Zeiten. Der Mozart-Stil gehört gepflegt und ausgefeilt, die große romantische Literatur ist ebenso wichtig für ihn wie die Musik des 20. Jahrhunderts und das Musiktheater.

Die Musik unserer Zeit wird hoffentlich nicht aus- und weggespart, denn der Musikbetrieb darf kein reines Museum sein. In dem es bekanntlich auch darauf ankommt, wie man die Bilder hängt – und welche neuen Räume man öffnet!

Und das ist wohl ein guter Schluß – und ich wünsch‘ ihm (und uns ), dass all seine Wünsche in Erfüllung gehen mögen und wir noch oft so gemütlich über Musik, Gott und die Welt plaudern können!

Stand:

2000