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Chefdirigent (1994-2003)

Das Gespräch mit Hubert Soudant, Chefdirigent des Mozarteum Orchesters seit 1995, findet im Dirigenten­zimmer des Orchesterhauses statt, in einer gleichsam entspannten, freundschaftlichen Atmosphäre, zwischen Partituren in einer Arbeitspause. Maestro Soudant empfängt mich mit dem natürlichen Charme des Nieder­länders, aufgewachsen in Maastricht im Dreiländereck Niederlande – Belgien – Deutschland. Aber am Beginn steht die künstlerische Arbeit, besonders wichtig für den Probenfanatiker Soudant:

„Man muß hart arbeiten, um ein sehr gutes Niveau zu halten und Impulse zu setzen für die Zukunft“ meint er. Über die Entwicklung des Orchesters in den letzten Jahren ist er sehr erfreut (wie wir alle), Tourneen in Japan und den USA waren überaus erfolgreich, ebenso die Mozart­ Matineen bei den Festspielen, nächstes Jahr wird das Orchester auch wieder eine Oper und Mozarts c-Moll­ Messe spielen, die Reaktionen von Publikum und Presse sind sehr gut bis euphorisch. „Die Arbeit war nicht umsonst!“

Soudant ist auch Chef des Orchestre National des Pays de Ja Loire – fast eine Rückkehr zu den Wurzeln: Er erzählt mir von einem kleinen Dorf namens „Soudan“ (ohne t) nahe bei Angers. Von dort kamen seine Vorfahren im 18. Jahrhundert in die Niederlande. Sein Vater war ein hervorragender Amateur-Trompeter und so stand die Blas­musik am Beginn seiner Karriere. Die Frage nach der Bedeutung einer im gewissen Sinne multikulturellen Jugend beantwortet Hubert Soudant auf seine sympathisch verschmitzte Weise: „Nahe von Maastricht, bei der kleinen Stadt Waals, aus der übrigens der Bariton John Bröcheler stammt, gibt es einen Berg, von dem man in alle drei Länder schauen kann.“

Zunächst war er Hornist, bis ihn der Direktor der Maastrichter Hochschule zum Dirigieren überredete. „Mein erstes Stück war die „Don Giovanni-Ouvertüre“ – also ein Zeichen für die Zukunft, obwohl er mit Mozart damals noch nicht so viel anfangen konnte. Lehrjahre in Hilversum folgten, der holländischen Rundfunkmetropole mit fünf Orchestern vom Symphonieorchester bis zur Bigband. Prägende Dirigenten waren sein Lehrer Jean Fournet sowie Bernard Haitink und Willem van Otterloo. Soudant hat eine ganze Reihe von Wettbewerben ge­wonnen (in Besancon sowie den Karajan- und den Guido Cantelli-Wettbewerb), begann als Assistent von Pierre Voslinsky beim Nouvelle Orchestre Symphonique du Radio France, war zwei Jahre Chef des ältesten holländischen Orchesters in Utrecht, zweiter Chef in Melbourne, ab dem 29. Lebensjahr begann seine inter­nationale Karriere mit Gastspielen in Paris und den großen deutschen Städten. Als Leiter des Orchesters der ge­fürchteten italienischen Opernstadt Parma lernte er die Welt der Bühne dort kennen, wo es am gefährlichsten und das Publikum am kritischsten ist, dirigierte Verdi und Puccini aber auch in Bologna, Florenz und Venedig. Italien liebt Hubert Soudant bis heute, seinen Haupt­wohnsitz hat er in Sardinien gewählt. Ich erinnere mich noch genau an seinen großen Erfolg mit Respighis römischen Tondichtungen in Salzburg, der letztlich zu seinem Engagement führte. Jetzt teilt er seine Zeit zwischen Angers, Salzburg und Tokio, wo er „erster Gastdirigent“ ist.
Was ist das Bestimmende im Leben des Musikers Soudant wer sind die Vorbilder? „In erster Linie mein Vater, von dem ich die Mentalität habe, Arbeitslust, Pflichtbewußtsein und Verantwortung. Als Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, dessen erste Auftritte in Amsterdam mir die Augen geöffnet haben im Bereich der Wiener Klassik Carlos Kleiber, wohl das Nonplusultra eines Dirigenten und Sergiu Celibidache – ein Jongleur an der Arbeit, so wie er ist keiner mit Farben umgegangen!“ Harnoncourts Erneuerung und intellektuelle Betrachtung der Musik sind sehr wichtig, man sollte 80 % mit dem Hirn machen!“ Ich erzähle ihm, wie ich in einer „Butterfly“-Aufführung im zweiten Akt plötzlich ganz starke Emotionalität, aus­gehend vom Dirigentenpult, verspürt habe. Hubert Soudant bestätigt es: „Wenn man eine Oper dirigiert, befreit man sich plötzlich vom Materiellen und läßt einfach die Musik fließen!“

Als Operndirigent kann man einiges erleben. ,,Nach einer Daphne-Vorstellung kam ein riesiger Mann ins Zimmer und sagte. Ich bin Richard Strauss …. Es war natürlich der Enkel, der das Orchester sehr lobte, aber über die Inszenierung schimpfte. Ich persönlich fand die Zu­sammenarbeit mit Frau Mielitz sehr interessant, sie ist sehr musikalisch, es war nicht schwierig, sich einzufühlen.“ Fast jede Oper dirigiert Maestro Soudant zum ersten Mal, Verdis „Rigoletto“ hat er allerdings schon in Parma ge­macht ,, … vor einem beklemmenden Publikum. In Salzburg ist das Publikum sehr angenehm!“ An der Kunstform Oper, ,,die leben muß“, fasziniert ihn das „Gesamtkunstwerk“, wobei jede Mozart-Oper „ein ganz besonderes Erlebnis ist.“ Vor seiner Tätigkeit in Salzburg hat man Hubert Soudant nicht unbedingt mit Mozart identifiziert, das hat sich in den letzten Jahren geändert. ,, Vor Salzburg habe ich Mozart zu wenig gekannt. Er ist ein Komponist, der einen sein ganzes Leben lang beschäftigt, es sind noch sehr viele Geheimnisse in seiner Musik zu entdecken. Ich habe alle Achtung vor den Mozart-Interpreten der Vergangenheit Böhm, Karajan, Krips, Walter – aber Harnoncourt hat alles umgestoßen. Es ist mir wichtig, dass das Orchester auch von Leuten wie Pinnock dirigiert wird, denn ich bemühe mich um einen leichteren, transparenteren Klang. Das Orchester muß einen spezifischen, unverwechselbaren Mozart-Klang bekommen!“ Hubert Soudant scheint noch nicht ganz zufrieden. (Ich kann bestätigen: Bei der von mir gehörten Matinee war der Mozart-Soudant-Sound, man gestatte die saloppe Formulierung, bei der Haffner­ Serenade sehr deutlich, sehr beeindruckend und sehr erfolgreich!)

Mozart ist also ein, wenn nicht „der“ Lieblingskomponist geworden, aber Hubert Soudant liebt viele und unter­schiedliche Musik. Haydn etwa findet er fast noch „unfaßbarer“ als Mozart: „Dieser Witz bei Haydn! Mozart ist fast immer 4-taktig, Haydn immer voll mit Über­raschungen.“ Zu Soudants „Favoriten“ gehört natürlich Anton Bruckner, dessen römisch-katholischer Gläubigkeit er sich sehr nahe fühlt. Das Naturgefühl, das gleichzeitig Erdverbundene und Geistige bei Bruckner und auch bei Mahler spricht ihn besonders an, er ist ebenfalls ein sehr naturverbundener Mensch. ,,Auch dass ich gelernter Hornist bin, spielt da eine Rolle!“ Jetzt muß die Frage nach Wagner folgen. ,,Wagner ist für mich ein Übermensch, fast wie Michelangelo, dämonisch, imstande, das Unerreich­bare zu erreichen.“ Über das Zustandekommen einer Produktion von „Tristan und Isolde“ in Salzburg würden wir uns alle freuen.

Dinge, über die wir uns freuen würden – wann dirigiert Hubert Soudant endlich das Salzburger Silvesterkonzert? Zu Silvester muß er immer bei seinem französischen Orchester sein, Weihnachten feiert er immer mit seinen Eltern in seiner Heimatstadt. Trotzdem, man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Könnte sich Maestro Soudant vorstellen, eine Operette zu machen? „Die Fledermaus hätte ich fast schon einmal dirigiert, aber wie ich die Aufnahme Carlos Kleibers gehört habe, wurde mir bewußt, dazu nicht fähig zu sein. Operette ist vielleicht das Schwerste überhaupt. Ich liebe aber Strauß, Offenbach und Lehar und dirigiere mitunter Konzerte mit Operetten­musik.“
Und, Kontraste machen auch das Musikerleben spannend, wie steht es mit dem Verhältnis zur „Neuen Musik“?

„Ich bin im Sternzeichen Fisch und Fische sind sehr neugierig. Neue Musik stand bereits am Anfang meiner Karriere. Jeder Chefdirigent sollte dazu beitragen, dass Neue Musik gespielt wird, das dient auch zur Erneuerung der Gehirnzellen und ist absolut notwendig. Man kann das aber nur nach genauer Prüfung machen. Ich mag es nicht, wenn Komponisten nicht wissen, was sie eigentlich wollen.“ Dagegen schätzt er es sehr, „wenn während der Probenarbeit noch weiter gearbeitet wird. Es ist manchmal sehr gut, wenn Komponist und Ausführende zu einem Kompromiss kommen, das kann auch eine Verbesserung der Komposition bedeuten. Man muß sehr hart daran arbeiten, wie an jeder Musik, denn das Publikum wird nur dann bereichert, wenn die Werke gut ausgeführt werden!“

Wir erzählen einander einige Knappertsbusch-Anekdoten (der wollte bekanntlich nie proben), Hubert Soudant ist da generell anderer Meinung. Die Probenarbeit ist ihm besonders wichtig. „Ich glaube nicht an Mirakel auf Abruf!“

Es wäre ihm sehr recht, wenn das Orchester mehr selber planen könnte. „Man kann sehr wenig Einfluß haben auf die Gastdirigenten, die finanziellen Bedingungen sind eher gering. Das Orchester sollte verglichen werden mit den Wiener Symphonikern, was den Finanzrahmen betrifft. Das Orchester leistet sehr viel und Salzburg ist eine sehr teure Stadt!“

Wie fühlt sich Hubert Soudant in Salzburg? „Am Anfang fand ich es sehr schwierig, in Salzburg zu sein, das hat sich aber geändert, es braucht einfach Zeit, sich anzu­passen, die Mentalität der Leute zu verstehen. Jetzt fühle ich mich sehr wohl, ich liebe sehr die Natur, die hier so nahe ist und habe mir ein kleines Auto gekauft, um in den wenigen freien Stunden gleich draußen zu sein. Bei Michaelbeuren werde ich mir ein Haus bauen. Ich liebe es auch, gut zu essen, etwa die wunderbare Hausmannskost auf der Fageralm!“ Überhaupt ist der harte Arbeiter Hubert Soudant auch ein Mensch, der die lustvollen Seiten des Lebens gerne und mit Maß genießt, so hat denn auch der Duft feiner Tabake unser sehr schönes Gespräch begleitet.

Ich wünsche ihm alles Gute für die nächsten Konzerte und freue mich auf das nächste Zusammentreffen!

 

Stand:

1999